Susanne Heim widmet sich einem bisher vernachlässigten Thema: der Entwicklung der Agrarforschung im nationalsozialistischen Deutschland.
Die bislang wenig erforschte Geschichte der Pflanzenzucht sowie der Spitzenforschungsinstitute der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft sind Themen des vorliegenden Bandes. Dabei werden folgende Schwerpunkte gesetzt: die Entstehung der Pflanzenzüchtung als akademische Disziplin seit 1870; die staatliche Regulierung der Agrarforschung und des Saatgutsektors in Deutschland sowie in der Sowjetunion und den USA der 1930er Jahre; die Wechselbeziehung zwischen Humangenetik und Pflanzengenetik in der wissenschaftlichen Diskussion im ersten Drittel des vorigen Jahrhunderts.
Die Autorinnen und Autoren zeigen, wie die nationalsozialistische Siedlungspolitik zwar an konservative Vorstellungen von einer »inneren Kolonisation« anknüpfen konnte, diese jedoch bald durch neue expansionsorientierte Raumordnungskonzepte ersetzt wurde. In bezug auf verschiedene Kaiser-Wilhelm-Institute wird untersucht, wie sich unter den Prämissen der Autarkiepolitik und militärischen Ostexpansion die Forschungsschwerpunkte verlagerten und neue Fragestellungen und Arbeitsmethoden in der Pflanzenzüchtung und in der meeresbiologischen Forschung entwickelt wurden. Die Rolle deutscher Botaniker bei der Beschlagnahme von Forschungsressourcen, wissenschaftlichen Sammlungen und Instituten in den besetzten Gebieten Ost- und Südosteuropas wird ebenso thematisiert wie ihr Anspruch, in politisch schwierigen Zeiten die Freiheit der Wissenschaft verteidigt zu haben. Am Beispiel zweier Biographien werden sowohl die Situation von Wissenschaftlerinnen in einem zunehmend von männlicher Dominanz und Krieg geprägten Arbeitskontext als auch der Werdegang eines emigrierten Wissenschaftlers und die Schwierigkeiten seiner Rückkehr nach 1945 an ein personell kaum verändertes Institut analysiert.
Inhaltsverzeichnis:
Jonathan Harwood: Politische Ökonomie der Pflanzenzucht in Deutschland ca. 1870 bis 1933
Thomas Wieland: »Die politischen Aufgaben der deutschen Pflanzenzüchtung«. NS-Ideologie und die Forschungsarbeiten der akademischen Pflanzenzüchter
Irene Stoehr: Von Max Sering zu Konrad Meyer - ein »machtergreifender« Generationswechsel in der Agrar- und Siedlungswissenschaft
Michael Flitner: Agrarische Modernisierung im genetischen Diskurs. Ansatzpunkte zu einem internationalen Vergleich,1925-1939
Uwe Hoßfeld, Carl-Gustaf Thornström: »Rasches Zupacken«. Heinz Brücher und das botanische Sammelkommando der SS nach Rußland 1943
Susanne Heim: Forschung für die Autarkie. Agrarwissenschaft an Kaiser-Wilhelm-Instituten im Nationalsozialimus
Bernd Gausemeier: Mit Netzwerk und doppeltem Boden. Die botanische Forschung am Kaiser-Wilhelm-Institut für Biologie und die nationalsozialistische Wissenschaftspolitik
Maria Zarifi: Das deutsch-griechische Forschungsinstitut für Biologie in Piräus, 1942-1944
Stanislaw Meducki: Agrarwissenschaftliche Forschungen in Polen während der deutschen Okkupation. Die Landwirtschaftliche Forschungsanstalt in Pulawy
Elvira Scheich: Elisabeth Schiemann (1881-1972). Patriotin im Zwiespalt
Michael Schüring: Ein »unerfreulicher Vorgang«. Das Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung in Voldagsen und die gescheiterte Rückkehr von Max Ufer
- Kategorien
- Neuheit
- ISBN
- 9783892444961
- Produktsprache
- Deutsch
- Einbandart
- PB
- Format
- 22,2 x 14 cm
- Anzahl der Seiten
- 312
- Verlag
- Wallstein Verlag
- Publikationsort
- Göttingen
- Reihenname
- Geschichte der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft im Nationalsozialismus
- Reihenbandnummer
- 2
Es liegen keine Kommentare zu diesem Artikel vor.
Ähnliche Produkte