Als mein 75. Geburtstag heranrückte, meldete sich bei mir ein junger Journalist, um eine Würdigung für mich zu fabrizieren. Sein Chefredakteur hatte sich meiner erinnert, weil ihm, wie er mir später erzählte, bei seinem Berufsstart vor etlichen Jahrzehnten sein damaliger Vorgesetzter einen meiner Artikel vor die Nase gehalten und empfohlen hatte: „So musst du schreiben. So was wollen die Leute lesen.“
So beginnt Rudi Czerwenka die Erinnerungen an sein Leben als Pennäler, Polizist, Lehrer, Familienvater, Buchautor, Dramatiker und eben als Journalist. – Ehm Welk ist nicht sein Mentor oder Lehrer, sondern sein „Patenonkel“. Es wird klar, der musste sich nicht verbiegen, als er für Werner Köfer und andere die Texte schrieb – der ist so. Es bleibt offen, ob alles, was er nicht beschrieb, wirklich verpasst wurde.
LESEPROBE:
Auf der Suche nach Essbarem stöberte ich in Tornähe an dem dort unweit der Küche liegenden Abfallhaufen, als mich ein Ami am Kragen kriegte und zu seinem Officer schleppte. Das Verhör beim Küchenchef war kurz. Er fragte mich in gebrochenem Deutsch, was ich ohne entsprechende Order am Tor zu suchen hätte. Ich antwortete im bestmöglichen Schulenglisch, dass ich Hunger hätte. Er sperrte mich in einen Nebenraum, ließ die schmutzige Küchenwäsche herbeiholen, dazu Kernseife und eine Rubbelbürste und machte sich davon. Ich tat meine Pflicht und erhielt danach etwas, was ich nie vergessen werde: eine große Portion Kartoffelstäbchen mit drei Bratklopsen, auf einem richtigen Teller mit Messer und Gabel. Anschließend wurde ich zu meinem Block entlassen.
Der Hunger jedoch war nur vorübergehend gestillt. So wagte ich einen erneuten Vorstoß zum Küchentrakt und hatte abermals Erfolg. Als ich wieder mal beim Wäschewaschen war, wurden die Küchenamis, ihr Chef und somit auch ich von einer Kontrolle überrascht. Mein Boss lobte meine Arbeit. Der Kontrolloffizier, Colonel Shrower unterhielt sich ein bisschen mit mir und nahm mich schließlich mit. Ich avancierte zu seinem Washboy, erhielt ein Permit, marschierte damit jeden Morgen vorbei an den Posten zu meinem Colonel und nachmittags, mit Cornedbeef, Cornbread, Schokolade und Kaugummis ausgestattet, zurück zu meinen Kameraden. Auf diese Weise wieder Mensch geworden, wartete ich auf den Termin meiner regulären Entlassung. Doch in dieser Richtung rührte sich nichts.
So beschloss ich, selbst zu handeln. Oberst Shrower lehnte ab, meiner Bitte nachzukommen.
- Kategorien
- Neuheit
- Autor / Autoren
- Czerwenka, Rudi
- ISBN
- 9783956555626
- Produktsprache
- Deutsch
- Anzahl der Seiten
- 168
- Verlag
- EDITION digital; EDITION digital
- Publikationsort
- Pinnow
- Ebook Format
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